Bernd Beigl:
Mit dem Tretroller ans Nordkap

Generalist und Normalroutenverlasser Bernd Beigl erzählt uns von seinem Tretroller-Trip ans Nordkap, mentalen Schwächen und ob vielleicht bald der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die innere Getriebenheit ein Ende finden wird.

Nach dem Übersetzen von Frederikshaven (DK) nach Göteborg auf dem Gustav-Adolf-Platz in Schweden.

Bernd Beigl ist berüchtigt für seinen ausgeprägten Multiaktivismus. Mehrfache Weltrekorde* in Disziplinen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, zeichnen ihn bereits aus. Und immer wieder stellt sich der Tausendsassa selbst erdachten Extremsport-Challenges, bei denen andere nur mit dem Kopf schütteln würden. So geschehen auch im Juli, als er mal eben schnell mit einem billigen Tretroller in 30 Tagen 2.700 km ans Nordkap kickte. Ich sprach mit Bernd über seine innere Getriebenheit und wie es ist, immer noch eine Schippe oben drauf legen zu wollen.

Bernd, warum Tretroller?

Bernd: Mit dem Fahrrad oder zu Fuß habe ich in der Vergangenheit bereits Tausende Kilometer zurückgelegt. Deshalb sollte es diesmal ein anderes Fortbewegungsmittel werden. In den Sinn kamen mir drei Varianten: Ein Hochrad, ein Skiroller und ein Tretroller. Nachdem ich dann alle drei Gefährte ausprobiert habe, wurde der Tretroller schnell am attraktivsten. Mit dem Hochrad hätte ich mich noch nicht den Nordkaptunnel runterfahren trauen und vorher viel länger trainieren müssen. Und Skiroller konnte ich ebenfalls ausschließen, nachdem ich davon direkt Verletzungen davonzog. Das ist dann auch eher etwas für langerprobte Profis.

„Mit einem Kick kommt man im Schnitt acht bis neun Meter weit. Nach elf bis zwölf Kicks wird das Bein gewechselt. Ohne wäre die einseitige Belastung zu hoch.“

Jeder, der gern Irrsinn macht, kommt irgendwann an den Punkt, an dem er mental schwächelt.

Wie viel Vorbereitungszeit hast du dir für die sportliche Herausforderung ans Nordkap gegeben?

Bernd: Zweieinhalb Monate. Den Tretroller hab ich zuvor für 60 Euro auf eBay ersteigert und dann beim Verkäufer abgeholt. Er wohnte nur 30 Kilometer entfernt, sodass meine erste Herausforderung daraus bestand, mit dem Teil nach Hause zu fahren. Dafür habe ich zwei Stunden gebraucht. Das hat meine Euphorie erst mal gebremst, von meinem Vorhaben abgebracht hat es mich aber nicht. Seitdem habe ich täglich trainiert und mich dabei auch täglich gesteigert. Bis es dann schließlich im Juli in Flensburg losging.

Von dort aus dann durch Dänemark, Schweden, Lappland und Norwegen bis ans Nordkap. Was waren deine größten Herausforderungen währenddessen?

Bernd: Definitiv das Wetter in Verbindung mit der Kürze der Zeit. Mein Plan war es, 90 Kilometer am Tag zurückzulegen. Diesen Plan konnte ich aber bald streichen, denn der immense Gegenwind machte es mir unmöglich, ihn einzuhalten. An meinem ersten Tag in Schweden dachte ich bereits ans Aufgeben und wie ich das meinen Followern wohl erkläre. Was war das nur für ein bescheuerter Plan von mir gewesen? Aber letztendlich kommt jeder, der gern Irrsinn macht, irgendwann an den Punkt, an dem er mental schwächelt. Bei mir ist das meist am vierten oder fünften Tag. Das ist dann der Test, ob man wirklich bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen.

Kurz nachdem der Roller kaputtging und die Erleichterung erst einmal groß schien. Zu diesem Augenblick war der Schweißer allerdings bereits unterwegs.

Der Tretroller hielt meiner Kraft nicht stand.

Und du warst es. Wieder einmal. Was treibt dich an? Oder bist du eher getrieben?

Bernd: Das ist eine gute Frage. Tatsächlich kam ich während des Trips ziemlich ins Grübeln darüber, ob es jetzt nicht auch mal gut ist mit den extremen Selbstchallenges. Vor allem, als der Tretroller in Schweden plötzlich auseinanderbrach und ich darüber erleichtert statt enttäuscht gewesen bin. Es war, als fiele mir eine unendliche Last von den Schultern, weil ich nun endlich eine Entschuldigung hatte, das Ganze abzubrechen. Der Tretroller hielt meiner Kraft nicht stand. Das war die Ausrede, die ich mir zurechtgelegt hatte. Das war allerdings, bevor ich einem Bulgaren begegnete, dem ich von meinem gescheiterten Versuch erzählte.

Warum? Was passierte dann?

Bernd: Er telefonierte mit seinem Kumpel, der ziemlich gut schweißen konnte. Da war meine Ausrede natürlich beim Teufel. Also gönnte ich mir ein Zimmer zum Ausruhen und Nachdenken. Der Wind wurde währenddessen besser und am übernächsten Tag strahlte mir der blaue Himmel ins Gesicht. Da kam die Motivation wieder zurück. Ich konnte die Zeit, die ich verloren hatte, mit dem reparierten Tretroller innerhalb von zehn Tagen wieder aufholen und lag letzten Endes wieder voll auf Kurs. Irgendwann glaubt man selbst auch wieder daran, dass man den Wahnsinn schaffen kann.

Erholungsphasen sind bei jeder sportlichen Herausforderung ein Muss.

Ich möchte einmal sagen können: Ich bin angekommen, es ist gut jetzt.

Und du hast ihn auch geschafft. Trotzdem wirkst du nachdenklich. Was geht zurzeit in deinem Kopf vor?

Bernd: Das stimmt. Rückblickend frage ich mich natürlich, worin der eigentliche Erfolg besteht. Das Glücksgefühl, das man sich am Ziel beispielsweise oft vorstellt, wird stark beeinflusst vom erschöpft sein. Ich hatte auch nur kurz Zeit, denn abends ging bereits mein Flieger zurück und ich habe danach eine Woche lang vom Tretroller Kicken geträumt. Während des Trips bekam ich kaum mit, dass es die ganze Zeit über hell war. Man vergisst einfach seine Umgebung und ihre Wunder, weil man zu sehr auf das Ziel fokussiert ist. Der innere Druck ist sehr hoch und man ist dadurch quasi immer „on fire“. Auf der anderen Seite brauche ich den zeitlichen Druck und die sportliche Herausforderung auch. Ich muss nur aufpassen, dass ich nicht zu sehr überdrehe. Denn anstatt der Frage, wie ich meine Grenzen künftig erneut überwinde, stellt sich mir inzwischen eher die Frage, wie lange ich meine Grenzen noch aufrecht erhalten kann. Und wofür eigentlich?

Wie meinst du das?

Bernd: Mit dieser Stufe der sportlichen Herausforderung habe ich mein Limit erreicht und sollte es nicht noch mehr ausreizen. Zumindest nicht mehr unter diesen Wetterbedingungen. Morgen laufe ich nach Südtirol und nehme mir ein paar Tage Auszeit. Dort möchte ich dann eine Klausur mit mir selbst abhalten und in Ruhe nachdenken. Irgendwann möchte ich schließlich einmal sagen können: Ich bin angekommen. Es ist gut jetzt.

Interview und Text: Nadine Zwingel
Fotos: Bernd Beigl

*Bernds Weltrekorde

♦ 155 km Nordic Walking in 24 Stunden

♦ Bananenessen unter einer Minute (6 Stück)

♦ Längste Stadtführung (2010 min)

♦ Treppensteigen im Fitnessstudio (Stairmaster, 402 Stockwerke, 6.480 Stufen in einer Stunde)

Endlich am Ziel. Oder sollte man sagen: Nach dem Ziel ist vor dem Ziel?

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